Folge 1.11: Verwarnungen

Will Sanders lehnt am Kotflügel der Corvette, die auf der Auffahrt des Howard-Anwesens steht, und grinst Esther Howard entgegen. Betont lässig fragt er, ob sie fahren wolle oder sie seinen Fahrstil bevorzuge. Esther rollt die Augen, während Sanders vergeblich darüber grübelt, warum sie nicht auf seinen Flirt anspringt. Esther muss lachen, sie hat ihm angesehen, dass er es weder ernst noch böse meinte: „Ich nehme den SLK. Ich fahre selbst. Allein.“ Sanders nickt, doch Esther schiebt nach, dass er gerne die Corvette wieder in die Garage und den SLK nach oben bringen dürfe. Sie habe Zeit. Er gibt sich nicht einmal Mühe, seine Freude darüber zu verbergen. Als sie dann im Wagen sitzt, grinst sie bei dem Gedanken daran, wie sehr Sanders den Fuhrpark des Anwesens schätzt. Sie lässt das Verdeck zurückfahren, setzt die Sonnenbrille auf und lässt auf der Fahrt nach Honolulu ihre Locken im Wind wehen. Vor einem Bürogebäude parkt sie den Wagen. Neben dem Eingang fällt ihr die Schlagzeile der Zeitung ins Auge:

„Anfechtung des Howard-Testaments: Erster Verhandlungstag.“ Sie will es nicht lesen, versucht nicht hinzuschauen, aber dann muss sie lachen. Dass Anwalt Robert Landsman eine Verwarnung wegen despektierlicher Äußerungen gegenüber Elizabeth Ames erhalten hat, befriedigt sie ungemein.

„Was haben sie sich eigentlich gedacht?“, faucht Dorothy Howard-Fielding den Anwalt an. Landsman zuckt die Schultern. Er erklärt, das gehöre nun einmal zum Geschäft. Der Senior-Partner der Kanzlei, also Landsmans Chef, erklärt bestimmt, die Provokationen von Ames hätten eigentlich auch zu einer Verwarnung führen müssen, aber die Richterin sei wohl parteiisch zugunsten von Frauen. „Dann stellen sie einen Befangenheitsantrag“, schnappt Dorothy Howard-Fielding und verlässt das Büro. Als ihr Handy klingelt, sieht sie darauf und seufzt. Dass Claire Howard sie ausgerechnet jetzt anruft, sagt ihr gar nicht zu. Tatsächlich ist Claires Anliegen keines, das Dorothy gefällt. Dorothys viel jüngere Halbschwester fragt, ob Rüpel-Anwälte Dorothys Mittel der Wahl sei. Das sei vielleicht die Art von Charles Junior, aber von Dorothy habe sie ein besseres Händchen erwartet bei der Auswahl ihrer Leute. Die Rechtfertigung, es sei ein Ausrutscher gewesen, nimmt Claire erstaunlich schnell hin, dann legt sie mit dem Argument auf, Dorothy habe bestimmt viel zu tun. Unsicher, ob Dorothy ihre Nervosität bemerkt hat, sitzt Claire neben ihrem Telefon. Beruhigend streichelt sie ihre Katze und flüstert: „Ich wünschte, ich wäre nicht so nervös bei so etwas. Aber nun bin ich in der Sache drin.“ Die Katze hüpft von der Sofalehne auf den Boden. Claire richtet sich auf und nimmt ihren Rucksack. Seufzend bricht sie zu ihrer Vorlesung auf, die sie gar nicht als Ausrede gebraucht hat, um das Gespräch zu beenden. Wohl ist ihr nicht bei der Anfechtung des Testaments, er kommt ihr falsch vor, so vehement um Geld zu kämpfen, das man nicht selbst verdient hat. Natürlich ist ihr die Frau suspekt, die ihr Vater gegen alle Widerstände geheiratet hat, obwohl er zuvor ihre Mutter wegen der Umstände fallen ließ. Innerlich ruft sie sich zur Ruhe. Eigentlich kennt sie Esther nur aus den Medien, und eigentlich hat Charles Benjamin Howard ihre Mutter nicht fallen gelassen. Nur die Ehe, die hat er nicht aufrecht erhalten. Erst nach Charles B. Howards Tod hat ihre Mutter ihr eröffnet, wie viel Geld zugunsten der Ausbildung seiner Tochter – also ihr selbst, Claire Howard – Charles B. Howard durch seine Stiftungen auf das Konto ihrer Mutter gepumpt hat. Ein wenig sorgt sich Claire auch darum, dass Dorothy, Charles Junior und Nick Howard diese Umstände aufdecken werden – und die fragwürdige Praxis mit Recht anfechten. „Wegen mir wäre es gar nicht so sehr“, erklärt sie ihrer Katze beim Verlassen der Wohnung. „Es wäre vor allem wegen Mutter, die durch eine Rückzahlung extrem von Papa … meinem Stiefvater abhängig wäre.“ Für einen kurzen Moment schaut die Katze sie an, als habe sie Claire genau verstanden. Doch dann tappt das Tier zielstrebig in die Küche zu seinem Napf, um den Rest des Inhalts einer Thunfischdose auszulecken.

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