Zwei Gläser Champagner hat Liz im Verlauf des Abends getrunken, dazu ein Glas Bourbon aus dem Vorrat von Kanzleigründer Ellison. Als sie nach der Feier allein in ihr Büro zurückkehrt, macht sie sich an der Vitrine zu schaffen: „Scheiß auf das Testament“, sagt sie sich recht undamenhaft und nicht gerade leise. „Seniorpartnerin wird man nicht alle Tage, erst recht nicht die erste Frau in der Kanzlei. Das Zeug lacht mich an!“ Dann holt sie die in Folie verpackte Holzkiste aus dem Geheimfach und schließt es sorgfältig wieder. Ein Gedanke überfällt sie unvermittelt: was, wenn etwas zum Navy-Projekt oder der geplanten Aktion auf der Karte von Charles Howard steht? Zwar hatte Charles eigentlich etwas anderes geplant, nämlich die Schenkung der Boote an Ökoterroristen, nicht die Gründung einer eigenen Organisation, aber auch das wäre kompromittierend genug. Sie steht auf und schließt die Bürotür ab. Mit zitternden Fingern will sie die Folie abreißen, aber dann entscheidet sie sich um. Zuerst geht sie an die Vitrine und holt ein Scotch-Glas heraus, stellt es auf den Schreibtisch, schaltet die Schreibtischlampe aus und die Deckenbeleuchtung an. Dann nestelt sie an der Folie herum, versucht sich an der Schleife der Verpackung und bekommt sie einfach nicht auf. Mit einer Schere schneidet sie die von schwarzem Lackband zusammengeraffte Folie ab und zieht die Verpackung herunter. Nachdem sie die Holzkiste, in der die teure Whiskyflasche liegt, in die Mitte des Tischs gelegt hat, wirft sie die Folie in ihren Abfallkorb, besinnt sich eines Besseren und fischt den Briefumschlag mit der Karte darin wieder heraus. Es kostet sie wenig Abwägen, zuerst die Flasche herauszuholen, behutsam und bedächtig zu öffnen und daran zu schnuppern. Genießerisch brummt sie vor sich hin, hält die Nase über den Flaschenhals und schließt kurz die Augen. Schließlich gießt sie ungefähr vier Zentiliter in das Glas, schnuppert nochmal am Korken und steckt ihn dann wieder auf die Flasche. Dann öffnet sie den Umschlag und holt die Karte heraus – handgeschöpftes Papier in einem teuren, zarten Umschlag. Das Glas in der einen, die aufgeschlagene Karte in der anderen Hand lehnt sie sich zurück, genießt das Aroma des dreißig Jahre alten Whiskys, nippt einen ersten Schluck und beginnt zu lesen. Plötzlich weiten sich ihre Augen, für einen Moment löst sich ihre Hand am Glas, so dass es einige Millimeter durch ihre Finger rutscht. Fast prustet sie die winzige Menge alten Laphroaig-Whisky auf den Schreibtisch, doch dann fängt sie sich wieder. „Ich werd‘ verrückt! Du alter Fuchs, das muss dir ein Heidenvergnügen bereitet haben!“ Sie verteilt die Flüssigkeit in ihrem Mund über ihre Zunge, bewegt die Zungenspitze hindurch und liest den Text noch einmal: „Liebe Elizabeth, so vieles von dem, was du für mich und meinen Sinneswandel getan hast, könnte ich dir nicht einmal vergelten, wenn ich dir dafür Geld geben könnte. Diesen Whisky weißt du wohl zu schätzen. Charles. P.S. Schicke Claire zu Danny. Er wird wissen, was zu tun ist.“ Langsam lässt sich Liz den Whisky auf der Zunge zergehen, schluckt und erschmeckt den Nachgeschmack. Schließlich flüstert sie in den Duft des noch immer zu drei Vierteln gefüllten Glases in ihrer Hand hinein: „Wahnsinn. Dieses Aroma! Und wenn das bedeutet, was ich denke, dann muss ich irgendwie Claire Howard für mich gewinnen! Das wird ein Stunt… und ausgerechnet jetzt ist Esther unter dem Pazifik unterwegs und ich kann sie nicht fragen, ob sie davon weiß.“
Charles Howard Junior sitzt an Dorothys Schreibtisch, Bob Landsman lehnt lässig in der Tür: „Die Akten sagen also, die Schlampe und dieser Schnauzbart haben nichts gewusst?“ Charles nickt und erklärt, Dorothy sei völlig außer sich. Sie sei so wütend gewesen, dass sie ihm von einem Teil des Inhalts der Akten erzählt habe. Landsman grinst breit und erwidert, in der Kanzlei sei man nicht minder enttäuscht, allerdings sei dieser Teil der Akten wohl nicht geheim. Ihn hätte man sonst wohl kaum informiert. „Aber du bearbeitest doch den verdammten Fall, Bob!“ Landsman lacht: „Freigabe oder nicht Freigabe, das ist hier die Frage. Meine hängt wohl noch irgendwo in Washington. Bei uns wird das richtig und rechtlich korrekt gemacht. Wir sind schließlich Anwälte.“ Charles zuckt die Schultern und fragt, ob Landsmans Kleinkrieg mit Liz Ames auch rechtlich korrekt und richtig sei. Der Anwalt zuckt die Schultern, doch der Howard-Erbe setzt nach: „Die Schnepfe ist ja hübsch, aber mit den glatt nach hinten gesprayten Haaren macht sie einen auf Domina. Ich hätt‘ sie gerne mit offenen Haaren auf meinem Bett.“ Nun fühlt Landsman sich herausgefordert, allerdings kündigt er nur an, etwas zu offenbaren. Zuerst solle Charles schauen, ob Dorothy anständigen Whiskey habe. Nach kurzer Inspektion des Schranks kommentiert Charles Junior: „Dorothy trinkt keinen Schluck. Das Zeug muss noch von meinem Vater sein. Talisker Port Ruighe?“ Landsman assistiert mit zwei Tumblern, sucht nach Eis, findet aber keines. Charles schenkt ein und verbirgt seine Erleichterung über das Fehlen von Eis in der Bar seines Vaters. Beide Männer riechen an den Gläsern, stoßen an und nippen an der goldbraunen Flüssigkeit. Dann fragt er: „Also?“ Landsman schließt genießerisch die Augen, trinkt noch einen Schluck und beginnt dann zu erzählen, wie er Liz und eine ihrer Freundinnen auf einer Verbindungsparty anging. Der Howard-Erbe reißt die Augen auf: „Schwarzes Latex? Corsage? Mann, das ist ja geil. Ob sie sowas unter ihrem Kostümchen vor Gericht trägt?“